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Geplante Änderungen der Internationalen Gesundheits­vorschriften der WHO

Einleitung

Wesentliche Teile der derzeit in Beratung befindlichen Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV, englisch IHR – International Health Regulations)[1][2] hätten zur Folge, dass politische und rechtliche Strukturen, die die Menschenwürde und Menschenrechte sicherstellen, außer Kraft gesetzt werden. Die Abstimmung über diese Änderungen in der Weltgesundheits-Versammlung (WHA – World Health Assembly) soll im Mai 2024 erfolgen.

Mit der Begründung, die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Pandemien zu stärken, werden im Rahmen der WHO derzeit zwei Projekte vorangetrieben. Zum einen sind dies Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV, englisch: IHR – International Health Regulations), zum anderen steht der Entwurf „eines Übereinkommens, einer Vereinbarung oder eines anderen internationalen Instruments zur Prävention, Bereitschaft und Reaktion auf Pandemien“[3] zur Diskussion, der kurz „Internationaler Pandemievertrag“[4] genannt wird.

In diesem Beitrag werden zentrale Änderungen der IGV beleuchtet.

Alle Übersetzungen in diesem Beitrag wurden mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version) durchgeführt.

Prinzipien der Menschenwürde, Menschenrechte und Demokratie

Die Menschenwürde ist ein international anerkanntes Rechtsprinzip, das den Achtungsanspruch aller Menschen als Subjekt (Zweck) postuliert. Bei Kant bedeutet dies, dass der Mensch niemals nur als Mittel, sondern immer auch als Zweck ge- und beachtet werden muss[5]. Das Bundesverfassungsgericht formuliert dies in der Objektformel[6]: die Menschenwürde wird verletzt „wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird“. Indizien für Verletzungshandlungen sind Situationen, die sich darin äußern, dass „man sich nicht wehren oder entziehen könne“.

Die Menschenrechte wurden formuliert, um die Menschenwürde in einem rechtlichen Rahmen zu schützen. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es[7]: „da es notwendig ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht gezwungen wird, als letztes Mittel zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen“.

Die politischen Strukturen einer Demokratie haben den wesentlichen Zweck, die Menschenwürde und die Menschenrechte zu gewährleisten. Zentrale Instrumente sind dabei

  • Rechtsstaatlichkeit: jedermann ist in gleicher Weise an Recht und Gesetz gebunden
  • Gewaltenteilung: institutionelle Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative
    • Die Legislative ist an die jeweilige Verfassung – in Deutschland das Grundgesetz – gebunden,
    • Handlungen der Exekutive bedürfen einer gesetzlichen Grundlage,
    • die Judikative überprüft die Einhaltung der Gesetze,
    • jedermann steht der Rechtsweg offen, um sich gegen eine ungesetzliche Behandlung,  insbesondere gegen staatliche Willkür zu schützen
  • allgemeines gleiches Wahlrecht: Legislative und Exekutive unterliegen der Kontrolle durch regelmäßige Wahlen.

Wesentliche Aspekte in den geplanten Änderungen

Ein wesentlicher Aspekt der vorgeschlagenen Änderungen der IGV ist, dass der Generaldirektor der WHO die alleinige Befugnis erhalten soll, einen Gesundheitsnotstand (PHEIC – public health emergency of international concern) nach eigenem Ermessen auszurufen. Änderungsvorschläge in Artikel 12 Abs. 2 ([2], S. 9) sehen vor, dass im Gegensatz zur derzeit geltenden Regelung, bei der der Generaldirektor und der betroffene Vertragsstaat übereinstimmen mussten („If the Director-General and the State Party are in agreement regarding this determination …“), der Generaldirektor zukünftig allein entscheiden soll („If the Director-General determines that the event constitutes a public health emergency of international concern …“). Der Generaldirektor entscheidet auch über die Beendigung des Gesundheitsnotstands nach eigenem Ermessen (Artikel 12 Abs. 5, [2], S. 9).

Ist ein Gesundheitsnotstand ausgerufen, soll der Generaldirektor nach Artikel 15 befristete Empfehlungen herausgeben. Nach Artikel 18 ([8], S. 16f) können diese in Bezug auf Personen Folgendes beinhalten:

  • den Reiseverlauf in betroffenen Gebieten überprüfen;
  • den Nachweis von ärztlichen Untersuchungen und Laborergebnissen überprüfen;
  • ärztliche Untersuchungen verlangen;
  • den Nachweis einer Impfung oder einer anderen Prophylaxe überprüfen;
  • eine Impfung oder eine andere Prophylaxe verlangen;
  • verdächtige Personen einer Beobachtung zum Schutz der öffentlichen Gesundheit unterziehen;
  • Quarantäne- oder andere Gesundheitsmaßnahmen für verdächtige Personen durchführen;
  • eine Absonderung betroffener Personen und nötigenfalls deren Behandlung durchführen;
  • eine Nachverfolgung der Kontakte verdächtiger oder betroffener Personen durchführen;
  • die Einreise verdächtiger und betroffener Personen verweigern;
  • die Einreise nicht betroffener Personen in betroffene Gebiete verweigern und
  • bei der Ausreise von Personen aus betroffenen Gebieten ein Screening durchführen und/oder Beschränkungen auferlegen.

Ein zweiter wesentlicher Aspekt der vorgeschlagenen Änderungen der IGV bezieht sich auf die rechtliche Verbindlichkeit dieser Empfehlungen. Diese waren bisher nicht verbindlich (non-binding), wie den Definitionen der Begriffe „ständige Empfehlung“ und „zeitlich befristete Empfehlung“ in Artikel 1 der IGV ([8], S. 8 und 9) zu entnehmen ist. Die Änderungen sehen vor, diese Konkretisierung jeweils zu streichen ([2], S. 2).

In einem neuen Artikel 13A Abs. 1 ([2], S. 12) heißt es (Hervorhebung durch den Autor): „Die Vertragsstaaten erkennen die WHO als leitende und koordinierende Behörde für internationale Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bei internationalen gesundheitlichen Notfällen an und verpflichten sich, die Empfehlungen der WHO bei ihren internationalen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu befolgen.

Weiterhin soll Artikel 42 ([2], S. 20 unten) wie folgt geändert werden (Änderungen fett hervorgehoben):

Aufgrund dieser Vorschriften ergriffene Gesundheitsmaßnahmen, einschließlich der Empfehlungen nach den Artikeln 15 und 16, sind unverzüglich von allen Vertragsstaaten einzuleiten und abzuschließen sowie transparent, gerecht und unterschiedslos anzuwenden. Die Vertragsstaaten ergreifen auch Maßnahmen, um sicherzustellen, dass nichtstaatliche Akteure, die in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet tätig sind, diese Maßnahmen einhalten.

Diese drei Änderungen lassen keinen Raum für Zweifel, dass die Maßnahmen, die vom Generaldirektor der WHO „empfohlen“ werden, rechtlich bindend sein sollen. Das hätte zur Folge, dass der Generaldirektor in alleiniger Entscheidungsbefugnis für alle Mitgliedsstaaten rechtlich bindend ärztliche Untersuchungen, Impfungen und andere medizinische Behandlungen, eine Nachweispflicht für diese Maßnahmen, Isolations- und Quarantänemaßnahmen, Reisebeschränkungen etc. anordnen kann.

Zur rechtlichen Verbindlichkeit der IGV in Deutschland ist in Wikipedia[9] zu lesen: „Der Deutsche Bundestag hat mit Wirkung zum 28. Juli 2007 den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) zugestimmt[8]. Am 29. März 2013 ist das IGV-Durchführungsgesetz (IGV-DG)[10] in Kraft getreten. Damit wurden die IGV in deutsches Recht implementiert.“. Die IGV haben in Deutschland den Rang von Bundesgesetzen.

Deutsche Behörden wären gesetzlich zur Durchführung der vom Generaldirektor der WHO „empfohlenen“ Maßnahmen verpflichtet. Deutsche Fachgerichte, insbesondere die Verwaltungsgerichte wären an das Gesetz gebunden, und insofern wäre der Rechtsweg dort verschlossen. Ein Rechtsschutz bestünde allenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht, das jedoch nicht die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen überprüfen könnte, sondern nur die Verfassungsmäßigkeit des IVG-Gesetzes[11].

Im Gesetz zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) vom 23. Mai 2005, Artikel 4 Abs. 2 ([8], S. 2) wird die Bundesregierung „ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Änderungen und Ergänzungen der IGV im Geltungsbereich dieses Gesetzes in Kraft zu setzen, …“. Das bedeutet, dass von der Weltgesundheits-Versammlung beschlossene Änderungen der IGV nicht durch den Bundestag bestätigt werden müssen.

Der Generaldirektor der WHO wird von der Weltgesundheits-Versammlung gewählt, deren Mitglieder durch die Regierungen der WHO-Mitgliedsländer bestimmt werden. Die Benennung des Vertreters der Bundesrepublik erfolgt durch die Bundesregierung und unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle. Weder die Weltgesundheits-Versammlung noch der Generaldirektor sind somit demokratisch durch Wahlen legitimiert.

Auswirkungen der Änderungen

Wenn die vorgeschlagenen Änderungen der IGV beschlossen werden, werden die oben genannten Strukturen, durch die die Achtung der Menschenwürde und die Einhaltung der Menschenrechte sichergestellt werden, unwirksam:

  • Die Gewaltenteilung ist außer Kraft gesetzt, da die Entscheidungen des Generaldirektors der WHO rechtlich bindend sind, jedoch keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
  • Die Rechtsstaatlichkeit ist nicht mehr garantiert, wenn die Einhaltung des Rechts nicht durch Gerichte überprüfbar ist.
  • Der Generaldirektor der WHO unterliegt nicht der demokratischen Kontrolle von Wahlen, in denen die von seinen Entscheidungen betroffenen Menschen ihren Willen bekunden können. Dies gilt auch für die Mitglieder der Weltgesundheitsversammlung, die ihn wählen.

Die Änderungsvorschläge setzen nicht nur die Strukturen, die Menschenwürde und Menschenrechte sicherstellen sollen, außer Kraft, auch die Prinzipien selbst sollen aus den IGV entfernt werden: die bisher nach Artikel 3, Abs. 1 geltende „uneingeschränkte(r) Achtung der Würde des Menschen, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten” soll gestrichen werden ([2], S. 3).

Weitere Aspekte der Änderungen

Die bisher geltenden Bestimmungen in Artikel 15 Abs. 1 ([8], S. 15) lauten: „… Solche zeitlich befristeten Empfehlungen können gegebenenfalls geändert oder verlängert werden, unter anderem auch dann, wenn festgestellt wurde, dass eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite beendet ist; dann können nötigenfalls andere zeitlich befristete Empfehlungen erlassen werden, um ein Wiederauftreten zu verhindern oder umgehend festzustellen.“ Sie haben vor dem Hintergrund, dass die „Empfehlungen“ rechtlich bindend werden sollen, die Auswirkung, dass der Generaldirektor der WHO die in Artikel 18 vorgesehene Maßnahmen praktisch jederzeit rechtlich bindend ausrufen könnte.

Die Befugnisse des Generaldirektors der WHO werden durch die Änderungsvorschläge erheblich erweitert. Im Folgenden sind zwei Beispiele aufgeführt (Hervorhebungen durch den Autor).

Gemäß dem Vorschlag für einen neuen Abs. 6 in Artikel 12 ([2], S. 10, 3. Absatz) könnte der Generaldirektor bestimmen, „dass ein Ereignis eine regionale gesundheitliche Notlage von internationalem Belang oder eine mittelschwere gesundheitliche Notlage von internationalem Belang darstellt, und den Vertragsparteien gegebenenfalls Leitlinien zur Verfügung stellen.

Bisher sollte der Generaldirektor nach Artikel 15 Abs. 1 befristete Empfehlungen herausgeben, wenn ein Gesundheitsnotstand nach Artikel 12 ausgerufen wurde. Zukünftig soll er dies bereits tun (können), wenn ein Ereignis vorliegt, das ein Potential hat, ein Gesundheitsnotstand zu werden („or the event has a potential to become PHEIC“) ([2], S. 14).

Fazit

Der Generaldirektor der WHO könnte bei Inkrafttreten der Änderungen jederzeit willkürlich Gesundheitsnotstände ausrufen und beenden. In der Folge könnte er willkürlich in allen Mitgliedsstaaten der WHO rechtlich bindend ärztliche Untersuchungen, Impfungen und andere medizinische Behandlungen, eine Nachweispflicht für diese Maßnahmen, Isolations- und Quarantänemaßnahmen, Reisebeschränkungen etc. anordnen. Willkürlich bedeutet in diesem rechtlichen Zusammenhang „ohne sachliche Gründe“ oder sogar „aus sachfremden Erwägungen[12].

Sollten die Änderungen der IGV im Mai 2024 durch die Weltgesundheits-Versammlung beschlossen werden und die Bundesregierung keinen Einspruch erheben, wäre der Generaldirektor der WHO ermächtigt, einen Großteil der in Deutschland durch das Grundgesetz gewährleisteten demokratischen Strukturen zu übergehen. Rechtsstaatliche Prinzipen zum Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte wären außer Kraft gesetzt. Der Willkür wäre Tür und Tor geöffnet.

Quellen

[1]  https://apps.who.int/gb/wgihr/pdf_files/wgihr1/WGIHR_Submissions_Original_Languages.pdf

[2]  https://apps.who.int/gb/wgihr/pdf_files/wgihr1/WGIHR_Compilation-en.pdf

[3]  https://apps.who.int/gb/inb/pdf_files/inb3/A_INB3_3-en.pdf

[4]  https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/03/03/council-gives-green-light-to-start-negotiations-on-international-pandemic-treaty/

[5]  http://kant.korpora.org/Band4/429.html, ab Zeile 10; http://kant.korpora.org/Band4/433.html ab Zeile 26

[6]  https://de.wikipedia.org/wiki/Objektformel#Inhalt

[7]  https://unric.org/de/allgemeine-erklaerung-menschenrechte/, Präambel, Abs. 3

[8] https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl207s0930.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl207s0930.pdf%27%5D__1694352384588

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Gesundheitsvorschriften#Deutschland

[10]  https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl113s0566.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl113s0566.pdf%27%5D__1694352439965

[11] Die rechtlichen Zusammenhänge wurden z. B. im Fall des § 28a IfSG dargestellt, s. http://www.dietrich-murswiek.de/files/Verfassungsbeschwerde-Gebauer-ua-ano.pdf, S. 24, C. III. 2. a) aa) „Unvereinbarkeit mit dem rechtsstaatlichen System der Freiheitssicherung durch Gewaltenteilung und das rechtsstaatliche Rechtsschutzsystem“

[12]  https://de.wikipedia.org/wiki/Willk%C3%BCr_(Recht)#Deutschland

 

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