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Offener Brief zur Insolvenz der REGIOMED KLINIKEN GmbH

Sehr geehrte Aufsichtsräte der REGIOMED-KLINIKEN GmbH,

beginnt auch bei uns vor Ort das Kliniksterben?

Die Bewohner der betroffenen Landkreise machen sich Sorgen, wie es mit der medizinischen Versorgung vor Ort weitergeht. Von den Ärzten und vom Pflegepersonal ist bislang noch wenig zu hören, in Sonneberg und Neuhaus gab es eine kleine Schilderdemo von knapp 40 Beschäftigten in ihrer Mittagspausenzeit. In Hildburghausen ist die Sorge groß, dass Klinikpersonal abwandert, der Vize-Landrat Dirk Lindner appelliert an die Beschäftigten zu bleiben, so zu lesen in der SZ vom 08. Januar 2024.

Im Fränkischen Tag kann man am 08.01.2024 lesen:
Als Grund für die prekäre Situation, die letztlich in die Insolvenz mündete, hatte Regiomed massiv gestiegene Sach- und Personalkosten, Fachkräftemangel und Nachwirkungen der Corona-Pandemie angegeben.“ …
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft befürchtet für 2024 bis zu 80 Klinikinsolvenzen, wie sie kürzlich prognostizierte. 2023 haben nach ihren Angaben mehr als 30 Klinikstandorte Insolvenz angemeldet.

Von den Verantwortlichen ist am 09.01.2024 nur zu hören, dass der gerichtliche Beschluss für den Gruppeninsolvenzantrag zwischenzeitlich vorliegt und das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren für den Regiomed-Verbund angeordnet wurde.
Wir befinden uns damit voll im Zeitplan, das Verfahren nimmt seinen ordnungsgemäßen Gang und die Sanierung kann angepackt werden. Es gilt: Der Geschäftsbetrieb der Einrichtungen läuft zudem während des vorläufigen Verfahrens uneingeschränkt weiter, wir betreuen und behandeln die uns anvertrauten Patientinnen und Patienten wie gewohnt und führen die medizinische Versorgung sowohl stationär als auch ambulant in vollem Umfang fort. Wir sind optimistisch, dass die Sanierung und Transformation der Einrichtungen Erfolg haben wird“, so einem Artikel aus dem OT vom 08.01.24 zu entnehmen.

Aber was bedeutet „Sanierung und Transformation der Einrichtungen“?
Werden alle Klinikstandorte erhalten werden können? Kommt es zur Privatisierung einzelner Kliniken?

Es stimmt, in der heutigen politischen Lage ist es nicht einfach, einen kommunalen Klinikverbund kostenneutral, bis gewinnbringend zu betreiben. Gründe hierfür sind:

  1. Das DRG-System ist ein pauschalisierendes Abrechnungssystem, bei dem stationäre Krankenhausbehandlungen weitestgehend unabhängig von der Verweildauer des Patienten über Fallpauschalen abgerechnet werden. Die Diagnose, also der ICD10 Code, bestimmt die Liegezeit des Patienten und die Vergütung, die der Klinikbetreiber dafür erhält. Viele Bereiche sind so aber nicht kostenausgleichend abrechenbar, wie z. B. Geburtsstationen, wo immer Personal vorgehalten werden muss, auch wenn keine Geburt ansteht. Zu bemerken hierzu, auch in Hildburghausen wurde 2021 die Geburtsstation geschlossen, da angeblich kein neuer Chefarzt gefunden werden konnte. Auch Notaufnahmen und Intensivstationen gehören hier, da kostenintensiv, zu den Verlierern. Zu bemerken ist, dass Privat- und Rehakliniken diese nicht vorhalten müssen.

    Die Einführung des DRG-Finanzierungssystems ab 2004 beschleunigte das Krankenhaussterben. Das DRG-System und seine Überwachung durch den MDK vergrößerte den Verwaltungsapparat. Für den umfassenden Dokumentationszwang für die ICD-Codes und die diesbezüglich erbrachten Leistungen wurde auf Kosten der Qualität der medizinischen und pflegerischen Patientenversorgung erhebliches Klinikpersonal gebunden.

    Am besten kommen in diesem System private Spezialkliniken weg, die gut planbare und somit gewinnbringende Operationen durchführen, Krankenhäuser, welche die Grundversorgung übernehmen, kommen hier schlechter weg.

  1. Kein staatlicher Finanzausgleich für die steigenden Energie-, Personalkosten und die anhaltende Inflation

  2. Personalmangel durch Abwanderung in der Corona-Zeit, sowie wegen Überlastung und Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen. Zu wenig Menschen, die bereit sind, neu in den Pflegeberuf einzusteigen, und auch in vielen Häusern ein hoher Krankenstand. Das alles führt dazu, dass nicht alle Betten belegt und teilweise auch nicht alle Stationen der Einrichtungen betrieben werden können, was zu weniger Einnahmen führt.

Hier könnte man noch mehrere Gründe aufführen, aber das sprengt den Rahmen.

Auch durch die neue Krankenhausreform, die 2024 in Kraft treten soll, wird es keine Verbesserungen geben. Die Krankenhausreform will zwar die Finanzierung der Krankenhäuser ändern. Anstelle der DRG Finanzierung soll eine „Vorhaltevergütung“ in Kraft treten und das schon längst überfällige Fallpauschalensystem ersetzen. Die Krankenhäuser sollen Gelder für die Vorhaltung von Personal und Grundausstattung bekommen. Das Bündnis Klinikrettung sieht dies mit folgenden Worten kritisch:

Das aber entpuppt sich schnell als Etikettenschwindel. Denn die Höhe der Vorhaltepauschalen hängt von DRG-Erträgen der vergangenen Jahre ab, und sie werden an die neu eingeführten Leistungsgruppen gekoppelt. Um eine Leistungsgruppe zugeteilt zu bekommen, muss ein Krankenhaus vorab bestimmte Mindestmengen- und Ausstattungskriterien erfüllen. Von Mengen unabhängiger Vergütung oder Kostendeckung kann also nicht die Rede sein.

Die Zuteilung der Leistungsgruppen durch die Länder, die die Höhe der Vorhaltebudgets mitbestimmt, ist begrenzt. Dadurch bleibt die Konkurrenz unter den Krankenhäusern weiter bestehen. Dies kann bedeuten, dass noch mehr kleinere Krankenhäuser schließen müssen.

Trotz der schlechten Vorgaben darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es andere kommunale Kliniken gibt, die unter gleichen Voraussetzungen immer noch gut aufgestellt sind. Wurden eventuell im Regiomed-Klinikverbund selbst Fehler gemacht?

Am 01.01.2008 ist als „Erster länderübergreifender Klinikverbund Deutschlands“ die Regiomed-Holding als gemeinnützige GmbH gegründet worden, Sprecher der Geschäftsführung war damals Uwe Möller-Ühlken. Zu lesen in der Projektbeschreibung zur Gründung:

Inhalt des Kooperationsprojekts
Sicherung einer flächendeckenden und wohnortnahen Krankenversorgung in der Region Oberfranken/Südthüringen unter kommunaler Trägerschaft.
Um die Übernahme kommunaler Kliniken durch private Betreiber zu vermeiden, schufen die beteiligten Krankenhausträger mit dem Verbund eine Alternative zur Privatisierung.

Unter der Leitung von Uwe Möller-Ühlken stand der Regio-Klinikverbund gut da und konnte Rücklagen schaffen.

Es folgte Katja Bittner 2011 bis 2013.
Sie wurde fristlos gekündigt ohne hinreichenden Grund, wie vom Landgericht Coburg festgestellt wurde. Für deren Kündigung stimmte der damalige Aufsichtsrat, nur der damalige Coburger Oberbürgermeister Norbert Kastner und der Landrat des Landkreises Coburg, Michael Busch haben dagegen gestimmt. Das hat den Klinikverbund 800 000€ Abfindung gekostet. (OT-Artikel 27. Januar 2015)

Danach kam Joachim Bovelet 2014 bis 2018.
Im Herbst 2018 hatte der damalige Hauptgeschäftsführer des Klinikverbunds, Joachim Bovelet, Regiomed überraschend verlassen. Es war auch das Jahr, in dem erstmals seit Gründung des bayerisch-thüringischen Zusammenschlusses 2008 ein Minus ausgewiesen werden musste. Zunächst war von 4,5 Millionen Euro die Rede, am Ende summierte sich das von Wirtschaftsprüfern festgestellte Defizit des Jahres 2018 auf 25,1 Millionen Euro. Dies aber auch deshalb, weil bis dato angestoßene Projekte von der Nachfolge-Geschäftsführung unter Alexander Schmidtke als „nicht realisierbar“ erachtet und abgeschrieben wurden.

Gegen Herrn Bovelet gab es danach Ermittlungen wegen Untreue und Betrugs, das Verfahren wurde 2022 eingestellt. Dem Klinikverbund entstanden in dieser Zeit, auf Grund des Verfahrens, zusätzliche Berater- / Anwaltskosten von 800.000 Euro.

Man schaffte es sogar ins Schwarzbuch der Steuerzahler, wie die Thüringer Rundschau am 9. November 2021 ausführlich berichtete. Hier ein Auszug aus dem Artikel:

Fragwürdige Projekte wurden angestoßen, unter anderem die neue Zentralküche in Lichtenfels. Sie wurde viel zu groß und überdimensioniert ausgelegt. Dies schlägt sich auch in den Baukosten von rund 21 Millionen Euro nieder. Die Auslastung der Zentralküche allein für Regiomed beträgt aber nur 50 Prozent. Die Kosten je Beköstigungstag mit 17,50 Euro (marktüblich sind 12,50 Euro) waren deutlich zu hoch angesetzt.

Daher fährt die Zentralküche einen jährlichen Verlust von rund 2 bis 3 Millionen Euro ein. Man versucht daher, die Auslastung mit einem externen Partner zu erhöhen und den Beköstigungstag, der nach Inbetriebnahme der Küche aktuell bei circa 16,50 Euro liegt, auf Marktniveau zu senken.

Auch hat es die Planung eines Seniorencampus auf dem Gelände der ‚Alten Post‘ in der Hindenburgstraße in Coburg in sich. 480.000 Euro wurden für eine Machbarkeitsstudie und Planungen, die nicht umgesetzt werden konnten, in den Sand gesetzt. Das Projekt muss komplett neu konzipiert und ausgeschrieben werden, was wiederum zusätzliche Kosten verursachen wird.

Zu guter Letzt hat ‚Regiomed‘ circa 4 Millionen Euro für Planungen eines Gesundheitscampus auf dem Gelände des ehemaligen Bundesgrenzschutz-Standorts Coburg verbraten. Dort sollte ein neuer Krankenhauskomplex entstehen, der auch Vor- und Nachsorgeeinrichtungen mit Rehabilitationsangeboten umfassen sollte. Ohne sich vorab mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege über eine mögliche Finanzierung des rund 500 bis 750 Millionen Euro teuren Projekts abzustimmen, wurden Planungs- und Beratungsaufträge vergeben, noch dazu ohne ordnungsgemäße Ausschreibung.

Fazit: Die Planungsleistungen sind nicht verwendbar, da sie nicht den Förderrichtlinien entsprechen. Das dafür ausgegebene Geld in Höhe von rund 4 Mio. Euro ist verloren. Die Planungen für einen Krankenhausneubau in Coburg müssen daher komplett überarbeitet und mit den Förderbehörden abgestimmt werden. Hierfür fallen zusätzliche Kosten an.

Anzumerken gibt es hierzu:

  • die Zentralküche macht immer noch jährliche einen Verlust von 2 Millionen Euro.

  • der langjährige Pachtvertrag für das „Alte-Post“ Gelände, der im Zuge der Fehlplanung abgeschlossen wurde, läuft immer noch. Es müssen weiterhin hohe Summen bezahlt werden, ohne dass der Seniorencampus je zustande gekommen ist.

In dieser Zeit gab es auch große „Betriebsfeiern“ wie z.B. 2015 in der Lichtenfelser Stadthalle (Mietkosten 11.000 Euro), bei der Stars aufgetreten sind und vor der Halle sogar ein Riesenrad mit 25 Metern aufgebaut war. Es gab für die Kinder ein Karussell und am Abend wurde ein Feuerwerk gezündet, das wohl mit zu den aufwändigsten und prächtigsten gehörte, das Lichtenfels je gesehen hat (zu lesen in einem OT-Artikel vom 03.07.2015). Die Gesamtkosten hierfür beliefen sich anscheinend auf 152.000 Euro. Im Jahr 2016 gab es eine ähnliche Veranstaltung in Eisfeld, die mit 148.000 Euro zu Buche schlägt

Auf Bovelet folgte Alexander Schmidtke 2020 bis 2022.

Die Neue Presse berichtete am 18.07.2022:

Schmidtke geht, weil der Regiomed-Gesellschafterkreis, dem Bürgermeister und Landräte aus Coburg, Lichtenfels, Sonneberg und Hildburghausen angehören, nicht seinem Weg gefolgt ist, den unter der Geschäftsführung von Joachim Bovelet in eine finanzielle Schieflage geratenen Klinikkonzern mittel- und langfristig zu restrukturieren und zu entwickeln. Dazu wäre es unter anderem notwendig gewesen, dass die Regiomed-Gesellschafter das Kapital des Unternehmens aufstocken, um diesem die Schuldenlast zu nehmen.

Für eine harte Sanierung war Alexander Schmidtke nach Informationen unserer Zeitung nicht zu haben. Ein Szenario dafür ist, medizinische Leistungen im Krankenhaus in Coburg zu konzentrieren, die heute noch in unterschiedlicher Ausprägung in Lichtenfels, Hildburghausen und Sonneberg vorgehalten werden. Zudem steht eine Schließung der Kliniken in Neustadt und Neuhaus am Rennweg im Raum, die für Regiomed Verlustbringer sind. Zu den Problembereichen innerhalb des Konzerns zählt auch die neue Zentralküche in Lichtenfels, die gegen jeden fachlichen Rat noch unter der Bovelet-Geschäftsführung auch mit politischem Druck insbesondere vom Obermain durchgesetzt wurde.

Nachfolger wurde Micheal Musick, der seit Oktober 2022 im Amt ist.

Vor der Insolvenz, wurde mit Amtsantritt von Michael Musik dessen Bitte Folge geleistet, das Eigenkapital des Konzerns um 20 Millionen aufzustocken und es wurden die Kassenkredite erhöht, die Regiomed bei Bedarf zur Verfügung stehen. Für Musick nicht nur ein Bekenntnis zu seinem Sanierungsplan, sondern auch dazu, dass die Krankenhäuser der Region in kommunaler Trägerschaft bleiben sollen. (Quelle: ein FT-Artikel vom 15.01.23)

Die Kliniken standen 2022 zwar nicht alle gut da, aber durchweg besser als 2021. Das Klinikum Coburg erwirtschaftete ein Plus von 2,4 Millionen Euro, in Neustadt fielen dagegen 1,4 Millionen Euro Minus an. Die Kliniken in Sonneberg (plus 700.000 Euro) und Hildburghausen (plus eine Million Euro) schlossen 2022 positiv ab.

In Lichtenfels blieb ein Minus von rund 945.000 Euro. Allerdings lag die Zahl der Patienten noch weit unter der von 2019, und ohne die 21,7 Millionen Euro Corona-Hilfen sähe das Ergebnis anders aus.“ (Auszug aus FT-Artikel 19.10.2023)

2023 voraussichtlich 20 Millionen Euro Verlust

Hier lässt sich darstellen, dass möglicherweise nicht nur die jetzt von Regiomed angegebenen Gründe „massiv gestiegene Sach- und Personalkosten, Fachkräftemangel und Nachwirkungen der Corona-Pandemie“ in die Insolvenz geführt haben. Das trifft vielleicht auf das Jahr 2023 zu.
Anscheinend hat doch in den Jahren zuvor der Aufsichtsrat versagt, oder wer trägt die Verantwortung?

Es bringt nichts, wenn sich jetzt die Vorstandsmitglieder öffentlich Vorwürfe machen, besonders Landrat Meißner an die Coburger, wegen der nicht gegebenen Zustimmung zur Auflösung des Klinikverbundes und Rückführung der einzelnen Kliniken in die einzelnen Kreise. Die Schuldenlast und auch die Führungskosten der einzelnen Kliniken auf Kreisebene hätten, wie Coburg in seiner Ablehnung aufgeführt hat, diese finanziell überlastet, wahrscheinlich auch Lichtenfels. Sonneberg hatte bereits angekündigt, dass die Kreisumlagen erhöht werden müssen, wenn es zur Rückführung kommt. Bei den Kreisumlagen handelt es sich um Geld, das Gemeinden an den Kreis abführen, damit dieser seine Aufgaben erfüllen kann. Es wäre also alles wieder auf jeden einzelnen Bürger zurückgefallen.

Man kann nur hoffen, dass, wenn jetzt die Insolvenz in Eigenverwaltung durchgeführt wird, aus den alten Fehlern gelernt wurde und der Aufsichtsrat sowie der Gläubigerausschuss, bestehend aus den verschiedenen Kreisen und Ländern, an einem Strang zum Erhalt der Klinikstandorte zieht. Das wäre zumindest die Aufgabe einer gemeinnützigen GmbH wie der Regiomed Holding.

Es ist auch an der Zeit, dass von den Trägern der kommunalen Kliniken endlich deutliche Zeichen nach Berlin gesendet werden, dass es mit dem wohnortnahen Kliniksterben nicht weiter gehen darf und ein Umdenken in der Gesundheitspolitik erfolgen muss, da sonst die Versorgung auf dem Land nicht mehr gesichert werden kann.

Bei so viel geballter Misswirtschaft fällt es schwer, die Unschuldsvermutung aufrecht zu erhalten. In all den Jahren will niemand bemerkt haben, dass die Kliniken mit jedem neuen Vorstand weiter per „Fehlplanungen“ in die roten Zahlen manövriert wurden? In all den Jahren hat sich niemand verantwortlich gefühlt einzugreifen? Die Frage, ob diejenigen, die nicht eingegriffen haben, weiterhin in ihren Funktionen bleiben sollten oder nicht, muss öffentlich diskutiert werden.