Geplante Änderungen
Ab Januar 2026 gilt eine umfassende Neuregelung für Hausärzte zur sogenannten Vorhaltepauschale, die seit 2013 als Zusatzpauschale zu den Versichertenpauschalen für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrages gezahlt wird.
Neu ist, dass Hausärzte durch die Neuregelung deutliche Einnahmeverluste oder durch Einhaltung zu erfüllender Kriterien Einnahmengewinne erzielen können. Das wird dazu führen, dass Hausärzte künftig unter einen Quotendruck geraten, bestimmte Behandlungen und Maßnahmen – unabhängig von der individuellen medizinischen Notwendigkeit – in einer vorgegebenen Häufigkeit durchzuführen. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in die ärztliche Therapiefreiheit dar und widerspricht dem Grundsatz, dass medizinische Maßnahmen immer im Interesse der Patientinnen und Patienten und nach individueller Indikation erfolgen müssen.
Wie stark wirken sich die neuen Vorgaben finanziell für die Ärzte aus:
- Der Gebührenordnungspunkt (GOP) 03040 wurde gekürzt. Statt der bisher 138 Punkte (17,10 €) gibt es nur noch 128 Punkte (15,86 €). Den bisherigen Wert von 17,10 € erhalten Ärzte künftig nur noch, wenn sie mindestens zwei Zusatzkriterien erfüllen, welche in einem Leistungskatalog aufgeführt sind.
- Abschlag bei weniger als 10 Impfungen pro Quartal
Wird die Marke von 10 durchgeführten Schutzimpfungen pro Quartal nicht erreicht, wird die Vorhaltepauschale um 40 % gekürzt. - Zusätzlich gibt es einen neuen Anreiz:
Wenn Ärzte mindestens acht der zehn Kriterien erfüllen, bekommen sie +30 Punkte (3,72 €) – also insgesamt 19,58 € pro Patient und Quartal, was mehr ist als der bisherige Betrag.
Ausgangswerte (pro Patient und Quartal): - Neuer Satz: 128 Punkte = 15.86 €
- Alter Satz: 138 Punkte = 17.10 € (kann durch Erfüllung von zwei Zusatzkriterien erreicht werden)
- Bonus für mindestens 8 Kriterien: +30 Punkte = 3.72 € → Gesamt bei 8 Kriterien: 19.58 €
Die zehn Kriterien zur Vorhaltepauschale (ab 2026)
Kriterium | Anforderungen für die Erfüllung | Prozent / Quote |
---|---|---|
Haus- und Pflegeheimbesuche | GOP 01410, 01411, 01412, 01413, 01415, 01721, 03062, 03063, 38100 und / oder 38105 | mind. 5 %* |
Geriatrische / palliativmedizinische Versorgung | GOP der EBM-Abschnitte 3.2.4, 3.2.5 und 37.3, 30980 und / oder 30984 | mind. 12 %* |
Kooperation Pflegeheim | GOP des EBM-Abschnittes 37.2 | mind. 1 %* |
Schutzimpfungen | gemäß Anlage 1 der Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA | mind. 7 % in Q1-Q3*, mind. 25 % in Q4* |
Kleinchirurgie / Wundversorgung / postoperative Behandlung | GOP 02300, 02301, 02302, 02310, 02311, 02312, 02313 und / oder 31600 | mind. 3 %* |
Ultraschalldiagnostik Abdomen und / oder Schilddrüse | GOP 33012 und / oder 33042 | mind. 2 %* |
Hausärztliche Basisdiagnostik | Langzeitblutdruckmessung und / oder Langzeit-EKG und / oder Belastungs-EKG und / oder Spirographie (GOP 03241, 03321, 03322, 03324 und / oder 03330) | mind. 3 %* |
Videosprechstunde | GOP 01450 | mind. 1 %* |
Zusammenarbeit | Das Kriterium gilt als erfüllt bei einer fachgleichen BAG von Hausärzten oder bei Teilnahme an Qualitätszirkeln | - |
Sprechstunden / Praxisöffnungszeiten | Mindestens 14-tägig Sprechstunden am Mittwoch nach 15 Uhr und/oder Freitag nach 15 Uhr und/oder an einem Werktag nach 19 Uhr oder vor 8 Uhr | - |
* Die Summe der Leistungen im Verhältnis zu allen hausärztlichen Behandlungsfällen, z. B. mind. 50 Besuchsleistungen bei 1.000 Fällen (5 %).
Was bedeutet das für die Ärzte?
- Ohne Zusatzleistungen: nur 128 Punkte (15,86 €).
- mind. 10 Impfungen im Quartal um die 128 Punkte (15,86 €) zu bekommen sonst Kürzung um 40 %
- Auswirkung 40 % Abschlag bei weniger als 10 Impfungen:
- Auszahlung nach Abschlag: 9.52 € pro Patient und Quartal (60 % von 15.86 €).
- Verlust gegenüber dem neuen Satz (128 Punkte): 6.34 € pro Patient und Quartal.
- Beispielrechnung für eine Praxis mit 1.000 Patienten:
- Verlust pro Quartal: 6344.00 €.
- Verlust pro Jahr: 25376.00 €
- Vergleich: Verlust gegenüber dem früheren Satz (138 Punkte = 17,10 €):
- Verlust pro Patient und Quartal gegenüber früher: 7.584 €
- Verlust pro Quartal (1.000 Patienten): 7584.00 €
- Verlust pro Jahr (1.000 Patienten): 30336.00 €
- Auswirkung 40 % Abschlag bei weniger als 10 Impfungen:
- Mit mindestens 2 erfüllten Kriterien: 138 Punkte (17,10 €).
- Mit mindestens 8 erfüllten Kriterien: 158 Punkte (19,58 €).
- Vergleich: Gewinn gegenüber dem neuen Satz (128 Punkte = 15,86 €):
- Verlust pro Patient und Quartal gegenüber früher: 7.584 €
- Verlust pro Quartal (1.000 Patienten): 7584.00 €
- Verlust pro Jahr (1.000 Patienten): 30336.00 €
- Vergleich: Gewinn gegenüber dem neuen Satz (128 Punkte = 15,86 €):
Das alles bedeutet:
Wenn Ärzte nicht mindestens 10 Impfungen im Quartal durchführen und zwei Kriterien zusätzlich erfüllen, verlieren sie gegenüber der jetzigen Regelung Geld. Die Vorhaltepauschale ist aber für viele Hausärzte überlebenswichtig, besonders auf dem Land. Durch die zusätzliche Möglichkeit, durch Erfüllung von vielen Kriterien das Einkommen zu steigern, wäre es aber auch denkbar, dass ökonomische Anreize in den Vordergrund Rücken und nicht mehr nur das Wohl des Patienten im Mittelpunkt steht.
Falls Du unsere ärztlichen Kollegen unterstützen und deren Therapiefreiheit erhalten willst und auch als Patient mit dieser Neuregelung nicht einverstanden bist, wende Dich an deine Krankenkasse. Deren Verbände haben die neue Vorhaltepauschale beschlossen [1].
Hier ein Entwurf für ein Anschreiben an Deine Krankenkasse. Der Text kann natürlich individuell abgewandelt werden.
Quellen
[1] ↑ https://www.kbv.de/praxis/tools-und-services/praxisnachrichten/2025/08-19-extra/vorhaltepauschale-fuer-hausaerzte-neu-geregelt-kbv-und-gkv-spitzenverband-beschliessen-die-details
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