Gesetzentwurf der Bundesregierung
Ziel des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes
Die Bundesregierung will mit diesem Gesetzesentwurf die Krankenhausversorgung weitgehend entökonomisieren und entbürokratisieren. Das heißt: Beendigung der Fallpauschalfinanzierung der Krankenhäuser. Auf Grund des Mangels von medizinischen und pflegerischen Fachkräften soll mit Hilfe der Ausgestaltung des Gesetzes und der Zentralisierung des Versorgungsangebotes eine „qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ sichergestellt werden ([1], S. 1).
In struktur- und bevölkerungsschwachen Regionen soll weiterhin eine qualitätsgesicherte medizinische Grundversorgung durch sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen aufrecht erhalten werden. In ihnen können sowohl ambulante und stationäre medizinische Leistungen erbracht werden, die auch ambulante Operationen beinhalten. Zusätzlich sollen Übergangs- und Kurzzeitpflege in diesen Versorgungseinrichtungen („Level 1“ Krankenhäuser) integriert werden. Eine Notfallversorgung mit Notfallambulanz und Intensivstation wird nicht angeboten ([1], S. 13).
Als Sachverständiger in der Anhörung des Gesundheitsausschusses am 25.09.2024 äußerte Dr. Michael Groening, dass diese „Level 1“ Krankenhäuser in der Hauptsache betagten älteren Menschen zu Gute kommt, die chronisch erkrankt sind und nur eine niederschwellige medizinische Versorgung benötigen ([2], S. 11f).
Die Ablösung der Fallpauschalenfinanzierung der Krankenhäuser durch die „Vorhaltevergütung“ ist der zweite bedeutende Inhalt des Gesetzentwurfes. Sie richtet sich in der Höhe der Vergütung nach Anzahl der angebotenen Leistungsgruppen im jeweiligen Krankenhaus. Die einzelne Leistungsgruppe definiert sich durch die Menge der Fallzahlen (Fallzahlkorridor) und die Qualität der Versorgung, die abhängig ist von Qualitätskriterien (Personal und Grundausstattung). 65 mögliche Leistungsgruppen sieht das Gesetz vor, die von den einzelnen Bundesländern für ihre Krankenhäuser vergeben werden können [1].
Kritische Betrachtung
Eine Übersicht über kritische Expertenmeinungen findet sich auf der Webseite „Experten sehen einige Regelungen in der Krankenhausreform skeptisch“ [3].
Mangelnde medizinische Versorgung der Bevölkerung
Wie in dem Bericht über Klinikschließungen [4] schon beschrieben, hat dieses Gesetz zur Folge, dass weitere Allgemeinkrankenhäuser schließen müssen. Sie sollen durch die oben genannten sektoralen Versorgungseinrichtungen ersetzt werden. Diese werden nicht von den Rettungswagen angefahren. Im Gesetzesentwurf ist fest geschrieben, dass pauschal die Fahrdauer zu Internen und Chirurgischen Fachkliniken nicht mehr als 30 Minuten und zu anderen Fachrichtungen wie zum Beispiel Geburtshilfe nicht mehr als 40 Minuten dauern darf ([1], S. 28).
Frau Valentukeviciute vom Bündnis Klinikrettung berichtete in der oben genannten Anhörung, dass sich in Dänemark diese zentralistische Versorgungsform nicht bewährt hat und Dänemark wieder zur herkömmlichen Struktur der Krankenhausversorgung zurück geht ([2], S. 22f).
Mangelnder Patientenschutz durch Änderung der Verantwortlichkeiten für die Erarbeitung der Qualitätskriterien in den jeweiligen Leistungsgruppen
Ein Ausschuss, der sich aus Fachleuten des Gesundheitswesen zusammensetzt und der von den obersten Landesbehörden und Vertretern des Gesundheitsministerium geleitet wird, erarbeitet Qualitätskriterien für die jeweiligen Leistungsgruppen in Krankenhäusern. Das Ergebnis der erarbeiteten Kriterien wird vom Gesundheitsministerium jedoch nur als Empfehlung gewertet und nicht als Rechtsverordnung. Letztendlich bestimmt die Politik die medizinische und pflegerische Qualität und nicht die wissenschaftliche Kompetenz.
Der „Gemeinsame Bundesausschuss“ (oberste Gesundheitsbehörde) ist im Gesetzentwurf für die Qualitätssicherung der Leistungsgruppen nicht als zuständig vorgesehen und zeigt deshalb in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf unter anderem einen möglichen mangelnden Patientenschutz durch diese Gesetzesbestimmung an ([5], S. 6ff).
Keine Entöknomisierung der Krankenhausversorgung
(siehe Artikel „Informationen zu Krankenhausschließungen„)
Laut Gesetz wird die Menge und die Schwere der Fallzahlen in den Jahren 2025 und 2026 als Bemessungsgrundlage für die Vorhaltevergütung herangezogen, die ab 2027 gelten soll. Der Sachverständige Dr. Hoffmann stellte fest, dass diese Bemessungsgrundlage des Vorhaltesystem ein „Zwilling“ des Fallpauschalensystem sein wird und appellierte an die Regierung, dass die Vorhaltevergütung bedarfsorientiert und Fallzahlen unabhängig ausgestaltet werden soll ([2], S.23). Auch das Bündnis Klinikrettung äußerte sich ähnlich dazu:
Das aber entpuppt sich schnell als Etikettenschwindel. Denn die Höhe der Vorhaltepauschalen hängt von DRG-Erträgen der vergangenen Jahre ab und sie werden an die neu eingeführten Leistungsgruppen gekoppelt. Um eine Leistungsgruppe zugeteilt zu bekommen, muss ein Krankenhaus vorab bestimmte Mindestmengen- und Ausstattungskriterien erfüllen. Von mengenunabhängiger Vergütung oder Kostendeckung kann also nicht die Rede sein. ([6], S. 2).
Keine Entbürokratisierung der Krankenhausversorgung
Die Regierung stellt den Ländern einen „Transformationsfond“ zur Verfügung, der die Umsetzung der Reform unterstützen soll. 50 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen. 25 Milliarden zahlen die Länder und die restlichen 25 Milliarden gehen auf Kosten der Beitragszahler der Krankenkassen ([7], S. 19f). Außerdem kam durch die Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. Hasseler zur Sprache, dass die Vergütungsmodalitäten im Detail bei den „Level 1“ Krankenhäuser insbesondere für die Pflege (Sozialgesetzbuch §11) noch nicht geklärt sind ([2], S. 11).
Eine weiteres Problem, das die Bürokratisierung erhöhen kann, erzählte Frau Valentukeviciute. Sie schilderte, dass in der Schweiz sehr viele Gerichtsverfahren stattfinden, weil die Krankenhäuser klagen, wenn ihnen eine Leistungsgruppe entzogen wird. Diese Klageverfahren bewirken eine Planungsunsicherheit der Krankenhäuser zu Lasten der Patientenversorgung ([2], S. 22f).
Mögliche Einschränkung der pflegerischen Leistungen in Krankenhäuser
Der Pflegerat bemängelt in der Stellungnahme, dass geplant ist, dass das Budget der Pflege in einem Krankenhaus nicht mehr als 60% der Finanzierung des Vorhaltebudgets sein darf. Das hat zur Folge, dass ein Mehraufwand des Pflegepersonals in besonderen Fällen nicht ausgeglichen werden darf. Der Pflegepersonalbedarf muss aber gemäß der Pflegepersonalbemessungsverordnung voll und ganz refinanziert werden, fordert der Pflegerat ([8], S. 12).
Stellungnahme des IVfG
Wie schon im Artikel „Informationen zu Krankenhausschließungen“ [4] fordern wir als IVfG „eine kostendeckende Finanzierung auch der kleinen wohnortnahen Krankenhäuser vor allem in ländlichen Gebieten mit Erhalt der Notfallversorgung und der Geburtskliniken, um eine bedarfsgerechte medizinische und pflegerische Versorgung gewährleisten zu können“. Wir lehnen den oben genannten Gesetzentwurf ab, weil er den nötigen Patientenschutz zu wenig berücksichtigt, die Ökonomisierung der Patientenversorgung nicht vermindert, die Finanzierung der Reform zu kostspielig für die Beitragszahler der Krankenkassen ist und im Detail viele Fragen der Entgeltvergütung noch nicht geklärt sind. Dieses Gesetz soll am 18.10.2024 im Bundestag und am 22.11.2024 im Bundesrat verabschiedet werden.
Quellen
[1] ↑ https://dserver.bundestag.de/btd/20/118/2011854.pdf
[2] ↑ https://www.bundestag.de/resource/blob/1021368/6e2897bb7ea4286763e12bce46dc6d6f/120_25-09-2024_KHVVG-nicht-lektorierte-Fassung.pdf
[3] ↑ https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw39-pa-gesundheit-krankenhausversorgung-1015182
[4] ↑ https://ivfgesund.de/aktuelle-informationen/informationen-zu-krankenhausschliessungen/
[5] ↑ https://www.bundestag.de/resource/blob/1020066/ffc667802c5246bd9fa0a5f5f580d0bc/20_14_0220-27-_G-BA_KHVVG.pdf
[6] ↑ https://www.bundestag.de/resource/blob/1020066/ffc667802c5246bd9fa0a5f5f580d0bc/20_14_0220-27-_G-BA_KHVVG.pdf
[7] ↑ https://www.bundestag.de/resource/blob/1019980/24fc40e970c53311705c6f771bb01c9b/20_14_0220-20-_Sozialverband-VdK_KHVVG.pdf, Präambel, Abs. 3
[8] ↑ https://www.bundestag.de/resource/blob/1019966/72f82c62b799da22db100bca4a2b116e/20_14_0220-16-_DPR_KHVVG.pdf
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